(from earlier this year, May 2015,
http://www.noz.de)
Top-Spieler in Niedersachsen
Schlagfertig: Jonah Schlie erobert die Tischtenniswelt Osnabrück. Fleiß, Konzentration und Ehrgeiz – diese Eigenschaften sollte ein Tischtennisspieler mitbringen. Davon ist Jonah Schlie überzeugt. Und er muss es wissen, schließlich feiert der 15-Jährige reihenweise Erfolge in der Tischtenniswelt und hat sich mithilfe seiner Disziplin bis in den C-Kader des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) gemausert.
„Ich habe mit etwa sieben Jahren angefangen, Tischtennis zu spielen“, erinnert sich Schlie. Sein heute 17-jähriger Bruder hatte zur Kommunion eine Tischtennisplatte geschenkt bekommen. So kam Schlie mit dem Sport in Berührung. Im Jahr 2009 trat er dem VfR Voxtrup bei. Seitdem ging es für ihn sportlich bergauf. Seine steile Entwicklung ist allerdings nicht selbstverständlich: „Wenn man mit sieben Jahren mit Tischtennis anfängt, ist es eigentlich schon zu spät. Man sollte mit fünf oder sechs anfangen“, sagt er. Dass er zunächst aufholen musste, war ihm am Anfang gar nicht bewusst. Die Freude am Spiel stand im Vordergrund.
Der 15-Jährige sitzt im heimischen Esszimmer in Voxtrup und erinnert sich daran, wie Tischtennis in sein Leben trat. In Voxtrup hat Schlie bis zu seinem zwölften Lebensjahr gelebt. Hier wurden auch die Weichen für seine noch junge Sportlerkarriere gestellt. Seine Eltern, sein älterer Bruder und seine jüngere Schwester wohnen immer noch hier. Schlies Leben spielt sich allerdings mittlerweile vor allem in Hannover ab. Seit drei Jahren lebt und trainiert der gebürtige Osnabrücker auf dem Sportinternat des Landessportbundes Niedersachsen, das als die „Eliteschule des Sports“ gilt. Das Internat nimmt nur Top-Spieler aus Niedersachsen auf und fördert ihr Sporttalent. In der Landeshauptstadt geht Schlie auf ein Gymnasium, bekommt Einzel- und Gruppentraining und hat dort seine Freunde.
Im Internat teilt sich Schlie zurzeit ein Zimmer mit einem 17-jährigen Wasserballspieler. „Ich fühle mich im Internat zu Hause und habe auch kein Heimweh“, sagt der junge Osnabrücker, der zugunsten seines Sports schon mit zwölf Jahren praktisch von zu Hause auszog. Der Draht nach Voxtrup wird allerdings täglich gehalten, wenn er und seine Eltern miteinander telefonieren.
Selbstständigkeit gefragtObwohl die Nachwuchssportler im Internat von Trainern und Pädagogen betreut werden, ist Selbstständigkeit ein Muss. Ob es darum geht, für das Training früh aufzustehen oder die Heimreise nach Osnabrück zu planen: Für all das ist Schlie selbst verantwortlich. Auch die Kombination aus normalem Schulunterricht und dem vielen Training ist eine besondere Herausforderung. „Ich trainiere insgesamt zehnmal in der Woche, und freitags geht es meistens zu Turnieren“, sagt Schlie. Das kollidiert oft mit der Schule. „Das Internat und das Gymnasium arbeiten zusammen. Bei Bedarf sprechen sich die Lehrer und unsere Trainerin ab, sodass wir den verpassten Unterrichtsstoff dann nacharbeiten können.“ Bei Problemen in der Schule könnten die Sportler auch im Internat Nachhilfe bekommen.
Was den Jugendlichen am Tischtennis so begeistert hat? „Es ist eine Einzelsportart. Gewinnt man, dann ist man alleine dafür verantwortlich. Verliert man, ist man selber schuld. Das gefällt mir daran.“ Übersteigert ist sein Ehrgeiz aber nicht: „Ich habe nicht trainiert, weil ich aufholen wollte, sondern weil es mir Spaß gemacht hat.“
Angefangen 2009 in der Kreisliga beim VfR, spielte sich Schlie bis in die Regionalliga Nord hoch. Um sich weiterzuentwickeln, ging es von dort aus zur TSG Dissen. „Ich habe den Verein gewechselt, weil es beim VfR keine höheren Ligen mehr gab“, erzählt der Nachwuchsspieler. In der Jugendmannschaft des TSG spielte Schlie in der Niedersachsenliga. Hier feierte er auch einen entscheidenden Triumph seiner Sportlerkarriere: Im Januar 2012 belegte er den ersten Platz bei der Landesmeisterschaft in der Kategorie Schüler B. „Ich bin ohne eine Erwartungshaltung an das Turnier rangegangen und hatte auch keinen Druck. Als ich dann den ersten Platz belegt habe, war ich natürlich überrascht, aber auch froh und stolz“, erzählt Schlie. Von der TSG wechselte er zum VfL Westercelle in die Oberliga, im September dieses Jahres geht es weiter zur Männermannschaft des TSV Lunestedt, mit der er in der Regionalliga Nord aufschlagen wird.
Der relativ späte Einstieg in die Sportart hatte im Nachhinein wahrscheinlich sogar Vorteile für Schlie. Der Jugendliche ist Abwehrspieler. Obwohl jeder Tischtennisspieler am Anfang der Sportlaufbahn den Angriff spielt, entschied der damalige Trainer, den Jugendlichen bereits früh auf Abwehr zu trainieren. Der Trainer glaubte, Schlie könne sich mit diesem Spielsystem besser gegen die anderen Konkurrenten durchsetzen. Zu Recht: In seinem Jahrgang ist Schlie der einzige Abwehrspieler in Niedersachsen. „Abwehr ist von der Technik anspruchsvoller. Der Abwehrspieler steht etwas weiter weg vom Tisch und versucht mit einer bestimmten Schlagtechnik, die Angriffe des anderen Spielers abzuwehren und ihn zu Fehlern zu zwingen“, erklärt Schlie.
Von Turnier zu TurnierIn Osnabrück sieht man den Jugendlichen nicht mehr so häufig. Für einen Besuch bei seinen Eltern hat Schlie nur noch alle zwei bis vier Wochen Zeit. Wenn er nicht im Internat ist, dann reist er von einem Turnier zum nächsten. Erst im April war der 15-Jährige in Belgien, wo er bei den Junior Open den zweiten Platz belegte. Bereits in einigen Tagen geht es wieder zu internationalen Turnieren – zunächst in der Slowakei, danach in Polen.
Viel Freizeit bleibt bei all dem Sport nicht. Dennoch bereut Schlie den Umzug nach Hannover nicht. „Ich habe gemerkt, dass ich durch das viele Training im Internat einen richtigen Leistungsschub bekommen habe. Dadurch werden mir auch mehr Möglichkeiten im Sport geboten, die ich ohne die Sportschule nicht hätte“, sagt Schlie reflektiert. Und trotz des vielen Trainings ist Tischtennis immer noch ein Hobby für ihn geblieben. „Ich mache das aus eigenem Antrieb. Hätte ich keine Lust mehr auf den Sport oder das Internat, dann könnte ich jederzeit aufhören.“
Jetzt, da der Jugendliche auf Bundesebene spielt, kann er nicht mehr ganz unbedarft an Turniere rangehen wie bei der Landesmeisterschaft 2012. Denn nun muss er seine Leistung abrufen und sich beweisen. Dennoch steht der Spaß weiter im Vordergrund. „Ich bin schon aufgeregt vor Turnieren. Trotzdem gehe ich mit Selbstvertrauen an die Turniere ran.“ Bis zum Abitur möchte Schlie in Hannover wohnen bleiben und im Internat trainieren. Was danach kommt? Das weiß der Abwehrspieler noch nicht. „Mein Ziel ist es, im Tischtennis so weit wie möglich zu kommen und bei internationalen Turnieren so gut wie möglich zu spielen“.
Kurz gefragt: Jonah SchlieWenn ich nicht Tischtennis spiele, dann…spiele ich:Tennis, Fußball oder treffe mich mit Freunden.
Mein Vorbild in Sachen Tischtennis ist…:der Koreaner Joo Se-hyuk, weil er als einziger Abwehrspieler in der Weltspitze vorne ist.
Mein Berufswunsch…:steht noch nicht fest. Zunächst möchte ich Abi machen, und danach schaue ich mal. Ich könnte mir aber schon vorstellen, hauptberuflich Tischtennis zu spielen und damit mein Geld zu verdienen.